Nikifor Danilov, 6. Januar 1925
Die Geister tragen die Seele eines Menschen, der Schamane werden muß, in die unterirdische Welt. Dort, sagt man, steht ein besonderes Haus, wo diese entführten Seelen eingeschlossen werden. Die Seele eines guten Schamanen bleibt über drei Jahre in dieser Gefangenschaft, die eines schlechten ein Jahr. In dieser Zeit verliert der Mensch selbst den Verstand und singt ohne Bewußtsein so lange vor sich hin, wie die Gefangenschaft seiner Seele dauert. Im Traume ist er in dem genannten Hause.
Diese bösen Geister (abaasylar) sind auch die Quellen der Erzeugung von Schamanen. Das beschriebene Haus gehört ihnen. Dort erziehen und lehren sie die entführte Seele des Menschen. Nach Verlauf einer bestimmten Frist, die je nach der Eigenschaft des Schamanen bemessen ist, müssen sie ihn zerschneiden und in Stücke hauen.
Die Zerschneidung des Körpers geht so vor sich: Zuerst schneiden sie den Kopf herunter und legen ihn auf das obere Wandbrett seiner Jurte. Man sagt, dieser Kopf sieht mit seinen Augen an, wie sein Körper zerhauen wird. Der ganze Körper des Schamanen wird in kleine Stückchen zerhauen und unter alle dreimal neun üör´s (Seelen gewöhnlicher Menschen, die Krankheiten verursachen) verteilt. Der Körper des besten Schamanen muß für alle bösen Geister ausreichen. Dann wird dieser Schamane alle Wege wissen, die Pfade alle Geister, die Krankheiten verursachen, und wird bei allen Erkrankungen nützlich wirken. Wenn aber sein Körper bei der Teilung nicht ausreicht und Geister ohne Anteil übrig bleiben, dann wird er diejenigen Krankheiten nicht heilen können, die von diesen üör´s verursacht werden.
Während der Zerschneidung seines Körpers liegt der zukünftige Schamane schwerkrank zuhause und kann nicht leben und nicht sterben. Man erzählt, wenn die Geister das Fleisch zerschnitten und verteilt haben, dann bekleiden sie die Knochen mit neuem Fleisch und setzen den alten Kopf an seine Stelle.
Nach den Worten des Erzählers von Semen Danilov in jakutischer Sprache aufgeschrieben.
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