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Alexejev Gavriil, Insel Tojon-Aryy, 12. Januar 1925

    Der Überlieferung nach hat jeder Schamane eine sogenannte "Tiermutter". Sie soll das Aussehen eines großen Vogels haben, mit einem Schnabel, der an einen eisernen Eisbrecher erinnert, mit hakenartigen Kletterkrallen und mit einem Schwanz von drei Schwingfaden Länge.

    Die Tiermutter kommt bei der Geburt und in der Zeit der Erziehung der Schamanenseele; später kehrt sie nur noch bei seinem Tode wieder. Ist die Tiermutter wieder erschienen und hat sich dem Schamanen gezeigt, so gilt dies als Vorzeichen seines Todes. Alle schamanischen Tiermütter, so sagt man, sehen sich äußerlich ähnlich und haben ähnliche Merkmale.

    Die Tiermutter geht mit der Seele dessen, der Schamane werden soll, in die untere Welt und zieht ihn dort auf den Zweigen eines Tannenbaumes auf. Die Seele eines großen Schamanen wird auf der neunten Zweig-Etage, von unten gerechnet, erzogen.

    Wenn die Seele reif wird und sich selbst vorstehen kann, dann erhebt sich die Tiermutter auf die mittlere Welt. Hier zerteilt sie den Körper des Schamanen in kleine Stückchen und zerstreut sie auf allen Wegen der Krankheit und des Todes. Sie verteilt sie unter die bösen Geister. Zeichnung von Timofej Stepanov Man sagt, den Geistern jeder Art von Schaden und Unglück gehören die entsprechenden Teile des Körpers, deren Erkrankung die betreffenden Geister verursachen. Ein Schamane kann die mannigfachen Krankheiten nur dann mit Erfolg heilen, wenn sein ganzer Körper zerstreut worden ist. Die bösen Geister verteilen den Körper des Schamanen und entfernen sich.

    Kleine, unbedeutende Schamanen werden nicht zerschnitten, auch diejenigen von ihnen nicht, die Schamanen wurden, indem sie Fallsucht oder Hysterie von gewöhnlichen bösen Geistern ("üör") empfingen. Nur ein großer Schamane, der in seiner Sippe eine Reihe von Schamanenvorfahren hat, wird der Zerstückelung unterworfen.

    Manche Schamanen spannen einen besonderen Vorhang auf, wenn sie zur Zeit ihrer Zerlegung zu Hause liegen. Außerdem sind sie vorsichtig und enthalten sich der Speise. Sie erlauben auch den Leuten nicht, zwischen dem Platze, wo sie liegen, und dem Herdfeuer hindurchzugehen. Nur ein reiner Knabe darf ihnen Nahrung bringen. Nach der Überlieferung sonderten sich früher die Schamanen zur Zeit ihrer Zerlegung ab, bauten sich an einsamen, menschenarmen Orten ein besonderes Zelt (uras) und legten sich dort nieder.

    Nach der Zerlegung des Körpers und seiner Verteilung werden, so erzählt man, alle Knochen von neuem an ihren Platz gelegt, Gelenk wird an Gelenk gefügt. Dann, so sagt man, erwacht der Schamane, als ob er geschlafen hätte. Die ganze Zerlegung und Aufteilung seines Körpers beobachtet der Schamane gleichsam mit eigenen Augen.

Jakutian Shaman's Dismemberment, Drawing by Timofej Stepanov

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